Wie gehe ich mit Zweifeln um?

Als Christ Zweifel zu haben, kann dich sehr verunsichern. Du fragst dich vielleicht, ob du zweifeln darfst, oder machst dir sogar Sorgen, dass Gott dich dafür verurteilen wird. Vielleicht hast du Angst, deine Probleme mit anderen Gläubigen zu teilen und fühlst dich deshalb zunehmend von ihnen entfremdet.

Der Zweifel gehört zum Leben dazu

Wir alle erleben Unsicherheiten. In der Heiligen Schrift treffen wir auf Menschen, die zweifeln. Im Buch der Psalmen berichtet Asaph von seinen Kämpfen und das Neue Testament beschreibt die Erfahrungen von Johannes dem Täufer und von Thomas, einer der Jünger Jesu. Auf ihre Erfahrungen werden wir später noch genauer eingehen.
Zweifel ist durchaus kein angenehmer geistiger Zustand. Man kann Zweifel aber auch aus einer positiven Perspektive betrachten. Anstatt zuzulassen, dass sie unser Leben lähmen, können wir sie als Warnzeichen dafür sehen, dass wir verschiedenen unsicheren Dingen in unserem Leben besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Wir können uns zum Beispiel fragen, ob wir uns gut genug auf die nächste Prüfung oder die Präsentation eines Arbeitsprojekts vorbereitet haben. Zweifel können so zu einem Motivationsfaktor werden, sich mehr Mühe zu geben, um sicherzustellen, dass wir die richtigen Strategien entwickeln. Der Zweifel kann also positiv genutzt werden.

Tim Keller drückt es so aus:
„Ein Glaube ohne jeden Zweifel ist wie ein menschlicher Körper ohne Immunsystem. Menschen, die (ob nun aus Gleichgültigkeit oder Zeitmangel) naiv durchs Leben gehen, ohne sich je ernsthaft zu fragen, warum sie das glauben, was sie glauben, werden hilflos sein, wenn die Schläge des Lebens oder die bohrenden Fragen des gewieften Zweiflers kommen. Der Glaube eines Menschen, der sich nicht jahrelang geduldig mit seinen Zweifeln auseinandergesetzt und sie erst nach langem Überlegen verworfen hat, kann über Nacht zusammenbrechen“[1]

Zweifler in der Heiligen Schrift

  • Asaph schrieb einen Psalm, in dem er sein persönliches Ringen beschreibt. Er konnte nicht begreifen, wie Gott angesichts des Wohlstands der bösen Menschen gut sein kann. Die Fragen, die seine Feinde ihm vorwarfen, hatten ihn zutiefst betroffen gemacht: „Wie sollte Gott von unserem Tun etwas wissen? Er, der Höchste, bekommt doch gar nichts mit!“ (Psalm 73,11 in der „Neue Genfer Übersetzung“). Sie behaupteten, Gott sei blind oder unwissend, und fühlten sich deshalb sicher genug, um zu tun, was sie wollten.
  • Johannes der Täufer zweifelte an der Identität Jesu als Messias und Retter Israels. Er hatte erkannt, dass die Messiasschaft Jesu von der Mehrheit des jüdischen Volkes nicht akzeptiert wurde. Da Johannes im Gefängnis saß, war seine Sicht der Dinge sehr eingeschränkt. Er wollte jedoch Antworten erhalten und befragte Jesus durch seine Jünger: „Bist Du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ (Matthäus 11,3).
  • Thomas zweifelte an der Auferstehung Jesu, da er nicht bei den anderen Jüngern gewesen war, als Jesus ihnen erschien. Er verlangte denselben Beweis, den die anderen Jünger erfahren hatten. Er drückte es folgendermaßen aus: „Ich glaube es erst, wenn ich seine durchbohrten Hände gesehen habe. Mit meinen Fingern will ich sie fühlen, und meine Hand will ich in die Wunde an seiner Seite legen“ (Johannes 20,25). Thomas war ein Mensch, der sich nicht auf die Erfahrungen anderer verlassen wollte. Er wollte es selbst sehen.

Den Zweifel besser verstehen

Wir wollen jetzt zwischen verschiedenen Arten von Zweifeln unterscheiden und sie nach ihren Ursachen und Motiven definieren. In deinem Leben könnte eine Kombination von ihnen eine Rolle spielen.

Ursachen

  1. Zweifel können durch intellektuelles Infragestellen bestimmter grundlegender Glaubensfragen wie der Existenz Gottes und der spirituellen Realität oder spezifischer Lehren des christlichen Glaubens wie der Auferstehung Christi entstehen. Vielleicht haben dir Menschen schwierige Fragen zu deinem Glauben gestellt und du konntest sie nicht beantworten. Das hat dich ins Grübeln gebracht.
  2. Zweifel können aus emotionalen Gründen auftreten, die oft zu einem Mangel an Vertrauen in Gott führen. Du glaubst vielleicht immer noch, dass Gott existiert, aber du fragst dich, ob er die Art von Gott ist, die sich persönlich in deinem Leben engagiert. Vielleicht erlebst du gerade beunruhigende Rückschläge oder den Verlust eines geliebten Menschen, die das Gefühl auslösen, dass Gott weit weg oder sogar abwesend ist. Es kann sein, dass du daran zweifelst, ob es Gott überhaupt gibt, oder du fühlst dich einfach zu abgestumpft und gebrochen, um dir sicher zu sein.

Motive

  1. Du zweifelst, weil du dir ernsthaft wünschst, Antworten zu finden, und du bist bereit, dich dafür einzusetzen. Deine Hauptmotivation ist es, mehr zu verstehen.
  2. Du hast Zweifel, weil du nicht wirklich glaubst, dass deine Fragen zufriedenstellend beantwortet werden können. Dies kann aus philosophischen Gründen geschehen: Vielleicht bist du der Ansicht, dass es keine endgültigen Antworten auf Fragen nach dem Sinn des Lebens oder der Spiritualität gibt. Oder du bist der Meinung, dass nur rational und experimentell bewiesene Ansichten des Glaubens würdig sind. Vielleicht liegt dein Motiv darin, dass du nicht bereit bist, die Konsequenzen zu tragen, wenn einige deiner Fragen tatsächlich beantwortet werden. Du hältst also an deinen Zweifeln fest; das kann sogar zu einer „normalen“ Lebensweise für dich werden. Eigentlich willst du dir Gott auf Distanz halten.

Zweifel können also deine Beziehung zu Gott zerstören oder sie aufbauen. Sie können deine Beziehung zu Gott beenden, wenn du sie unbeachtet lässt und zulässt, dass deine Kämpfe deinen Geist und dein Herz von Ihm entfernen. Zweifel können aber auch deine Beziehung zu Gott vertiefen, wenn du sie als Trittsteine betrachtest für einen stärkeren Glauben, der nach Verständnis sucht.

Was kannst du tun?

Wenn du Zweifel hast, gibt es einige Dinge, die du tun kannst:

  • Suche zunächst Gott im Gebet und bringe deine Zweifel vor Ihm zum Ausdruck und bitte Ihn, dir zu helfen. In den Psalmen finden wir Menschen, die ihre Fragen an Gott frei formulieren. „Warum, Herr, bist Du so weit weg? Warum verbirgst Du dich, wenn wir Dich am nötigsten brauchen?“ (Psalm 10,1). Selbst Jesus schrie am Kreuz verzweifelt auf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46 mit einem Zitat aus Psalm 22,2). Halte inmitten all deiner Kämpfe die Verbindung zu Gott offen! Er liebt dich als sein Kind und wird dich nicht abweisen. Er wird zu dir durchkommen, auch wenn es eine Weile dauern mag. Daran zu glauben, ist eine Frage des Vertrauens. Du kannst nichts von Ihm fordern, aber du kannst Ihn natürlich um konkrete Antworten bitten und auch um eine beruhigende Erfahrung Seiner Gegenwart. Jesus ist zu Thomas durchgedrungen. Er nahm die Fragen des Thomas ernst und verurteilte oder verwarf ihn nicht, sondern lud ihn ein, sich die Zeichen an seinem Körper genau anzusehen: „Leg deinen Finger auf meine durchbohrten Hände und sieh sie dir an! Gib mir deine Hand und leg sie in die Wunde an meiner Seite! Zweifle nicht länger, sondern glaube!“ (Johannes 20,27).
  • Zweitens: Suche die Gesellschaft von Glaubensbrüdern, denen du dich anvertrauen kannst. Egal, wie du dich fühlst, geh weiter in die Kirche oder zu anderen Gemeinschaftstreffen. Das sind Orte, an denen Gott zu dir sprechen kann. In Psalm 73 bezeugt Asaph, dass er, als er zum Haus Gottes ging, Verständnis und eine breitere Perspektive erhielt. Bemühe dich außerdem um den persönlichen Kontakt zu sachkundigen Menschen, mit denen du deine Fragen und Zweifel besprechen kannst. Johannes der Täufer schickte seine Jünger zu Jesus selbst, um Ihn zu befragen. Auf diese Weise erhielt er Antworten: „Jesus antwortete ihnen: ‚Geht zu Johannes zurück und erzählt ihm, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Gelähmte gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden wieder lebendig, und den Armen wird die rettende Botschaft verkündet. Und sagt ihm: Glücklich schätzen kann sich jeder, der nicht an mir Anstoß nimmt.‘“ (Matthäus 11,4-6). Damit wusste Johannes, dass Jesus der verheißene Messias Israels war, da sich die Prophezeiungen des Alten Testaments durch diese prophetischen Taten des messianischen Dienstes erfüllten.
  • Drittens: Informiere dich intellektuell. Einige große Denker haben sich mit Zweifeln herumgeschlagen und großartige Antworten gefunden. Es gibt so viel gutes Material, das du in Büchern oder im Internet finden kannst. Es gibt interessante Debatten, die du verfolgen kannst, um zu sehen, wie die verschiedenen Meinungen zusammenspielen. Es sollte dich nicht stören, dass die Existenz Gottes nicht wie ein mathematisches Theorem bewiesen oder widerlegt werden kann. Die gute Nachricht ist, dass es viele Beweise gibt, die auf Seine Existenz hindeuten, wie z. B. das Vorhandensein einer Ordnung im Universum. Die Wissenschaft kann diese Ordnung nicht erklären. Man muss sie voraussetzen, um etwas erklären zu können. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Dinge, für die man keine rationalen Erklärungen finden kann, und dennoch tut man so, als ob sie wahr wären, wie etwa moralische Gebote. Wir alle wissen, dass wir unsere Versprechen halten sollten, unabhängig davon, ob die Wissenschaft oder die Rationalität dies beweisen kann. Die Wissenschaft kann nur Tatsachen feststellen, aber sie kann uns nicht sagen, was unsere moralischen Pflichten sind.

Dies sind nur einige wenige Beispiele für Themen, die zum Nachdenken anregen und dir helfen können, wenn du intellektuelle Zweifel hast.

Schlussfolgerung

Es kann sein, dass deine Zweifel beseitigt werden, wenn viele deiner Fragen beantwortet werden. Es kann aber auch sein, dass deine Ungewissheit mit der Zeit von dir abfällt. Du lernst einfach, mit ungelösten Fragen in deinem Glaubensleben zu leben und fühlst dich nicht mehr durch sie geschwächt. Andererseits kann es sein, dass die Zweifel, auch bei der Suche nach Antworten, in deinem Kopf bleiben. Lass dich von ihnen motivieren, noch tiefer in deine schwierigen Fragen einzutauchen und Menschen zu finden, mit denen du dich emotional, intellektuell und spirituell austauschen kannst. Und das Wichtigste von allem: „Sucht die Nähe Gottes, dann wird Er euch nahe sein“ (Jakobus 4,8).

[1] Timothy Keller, „Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit?“ ⓒ 2010 Brunnen Verlag, Seite 19

 

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