Wir Christen behaupten, dass die Bibel besondere Autorität hat, weil sie von Gott, dem Herrn, inspiriert wurde. Was meinen wir mit dieser Formulierung? Was ist göttliche Inspiration?
Woher stammt das Wort „Inspiration“? Steht es in der Bibel?
Wenn wir über die Inspiration der Bibel sprechen, sollten wir als erstes 2. Timotheus 3,16 lesen. Im Griechischen heißt es in diesem Vers: πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος. Die meisten Deutschen Bibelübersetzungen verwenden hier das Wort „eingegeben“, zum Beispiel:
- „Die ganze Heilige Schrift ist von Gott eingegeben“ (Hoffnung für Alle)
- „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben…“ (Luther Bibel 1545)
- „Denn alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben“ (Neue Genfer Übersetzung)
- „Jede Schrift ist von Gottes Geist eingegeben“ (Schlachter 1951)
Theologen verwenden oft das Wort „inspiriert“, aber nicht in der Bedeutung, die dieses Wort im täglichen Leben hat. Schauen wir uns das einmal genauer an.
Die Bibel verwendet das Wort „Inspiration“ auf besondere Weise
Im Alltag verwenden wir das Wort „Inspiration“ oft, wenn wir uns geistig angeregt fühlen, etwas zu tun oder zu fühlen, insbesondere etwas Kreatives zu tun. Die Person oder Sache, die uns inspiriert, ist ein Ausgangspunkt für unseren eigenen Gedankenprozess, bestimmt aber nicht das Endergebnis. Menschen fühlen sich von schöner Musik oder von den Ideen eines großen Philosophen inspiriert. Ein Maler lässt sich von der Natur oder von einem architektonischen Meisterwerk inspirieren. Christen fühlen sich durch das Beispiel Jesu und durch „Glaubenshelden“ inspiriert. Das ist wertvoll für unser tägliches Leben, aber das ist nicht das, was die Bibel in 2. Timotheus 3,16 meint.
Was bedeutet das Wort „Inspiration“ in der Bibel?
Die Formulierung πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος bedeutet wörtlich „alle Schrift (ist) von Gott geatmet“ oder „alle Schrift (ist) gottgehaucht“.
Das Wort πνεῦμα bedeutet „Atem“, aber auch „Wind“ und „Lebensatem, Geist“ (im Gegensatz zum Körper). Die Bibel verwendet dieses Wort auch für Gott, den Heiligen Geist. Das gleiche Bedeutungsspektrum gilt für die hebräische Variante von πνεῦμα, die im Alten Testament verwendet wird: rûaḥ (רוּחַ). Wenn die Heilige Schrift also θεόπνευστος ist, bedeutet dies, dass sie von Gottes Geist stammt und/oder von Gott geatmet bzw. gesprochen wurde.
Er hat selbst gesprochen, aber durch menschliche Autoren. Diese Männer hatten unterschiedliche Persönlichkeiten und Schreibstile. Sie lebten in verschiedenen Jahrhunderten und Ländern. Einige schrieben nur einen kurzen Brief, andere mehrere Bücher. Aber die Worte, die sie schrieben, waren von Gott eingegeben. Daher wird die Bibel, die wir heute haben, zu Recht „das Wort Gottes“ genannt und nicht „das Wort von Menschen, deren Ideen in ihrer Beziehung zu Gott wurzeln“.
Wie wurden die Autoren der Bibel von Gott inspiriert?
Die Bibelschreiber wurden nicht nur oberflächlich vom Herrn „inspiriert“, wie ein Künstler von der Natur inspiriert wird, sondern der Heilige Geist wählte sie aus und leitete sie auf übernatürliche Weise, so dass die geschriebenen Worte der Bibel auch die Worte Gottes waren. Sie schrieben nur, was der Herr beabsichtigte. 2. Petrus 1,21 erklärt: „Niemals haben sich die Propheten selbst ausgedacht, was sie verkündeten. Immer trieb sie der Heilige Geist dazu, das auszusprechen, was Gott ihnen eingab.“ Die menschlichen Autoren wurden nicht nur vor Irrtümern bewahrt, sondern auch davor, etwas auszulassen. Ihre Schriften sind genau und vollständig. Dieser Prozess erstreckte sich bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Dokument in seiner endgültigen Form geschrieben wurde, und schließt somit auch die Arbeit späterer Redakteure ein, die ebenfalls von Gott geleitet wurden.
Welche Teile der Bibel sind von Gott inspiriert?
Die Bibel selbst behauptet, dass „die ganze Schrift‘, also die ganze Bibel[1], von Gott inspiriert wurde (2. Timotheus 3,16-17, vgl. 1. Korinther 2,12-13). Es sind also nicht nur die Grundgedanken, die inspiriert sind, oder nur die Worte von Jesus Christus, sondern jeder einzelne Bibelvers vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung. Das bedeutet auch, dass wir keine Teile der Bibel streichen oder zusätzliche Bücher hinzufügen können: „Was Gott sagt, ist wahr und zuverlässig; er beschützt alle, die Schutz bei ihm suchen. Füge seinen Worten nichts hinzu, sonst zieht er dich zur Rechenschaft, und du stehst als Lügner da!“ (Sprüche 30,5-6).
Das letzte Kapitel der Bibel warnt uns ausdrücklich: „Wer auch immer die prophetischen Worte dieses Buches hört, den warne ich nachdrücklich: Wer diesen Worten etwas hinzufügt, dem wird Gott all das Unheil zufügen, das in diesem Buch beschrieben wurde. Und wer etwas von diesen prophetischen Worten wegnimmt, dem wird Gott auch seinen Anteil am Baum des Lebens und an der Heiligen Stadt wegnehmen, die in diesem Buch beschrieben sind“ (Offenbarung 22,18-19).
Ich möchte hier eine wichtige Anmerkung machen. Wenn wir die Bibel lesen, tun wir das mit einem begrenzten Verständnis. Deshalb kann unsere Interpretation von Gottes geschriebenem Wort falsch sein. Es ist wirklich wichtig, zu unterscheiden zwischen dem, was die Bibel sagt und dem, was ich denke, was die Bibel sagt. Wir sollten den Heiligen Geist immer darum bitten, uns beim Lesen und Auslegen der Heiligen Schrift zu erleuchten (siehe Epheser 1,17-19).
Warum ist es wichtig, dass die Bibel von Gott inspiriert wurde?
Menschliche Worte sind fehlbar. Gottes Worte sind es nicht. Jedes normale Buch, egal wer es geschrieben hat, kann Fehler enthalten oder einseitig und unvollständig sein. Es ist schon bald veraltet. Die Menschen können darüber streiten oder mit den darin enthaltenen Aussagen nicht einverstanden sein. Nicht so bei der Bibel.
- Die inspirierte Heilige Schrift ist fehlerfrei und vertrauenswürdig. Jesus bittet seinen himmlischen Vater: „Lass ihnen [den Jüngern Jesu] deine Wahrheit leuchten, damit sie in immer engerer Gemeinschaft mit dir leben! Dein Wort ist die Wahrheit!“ (Johannes 17,17).
- Die inspirierte Schrift ist maßgebend. „Sie soll uns unterweisen; sie hilft uns, unsere Schuld einzusehen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen und so zu leben, wie es Gott gefällt. So werden wir reife Christen und als Diener Gottes fähig, in jeder Beziehung Gutes zu tun“ (2. Timotheus 3,16-17).
- Die inspirierte Heilige Schrift ist zeitlos. „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber haben für immer Bestand“, sagt Jesus in Matthäus 24,35.
- Die inspirierten Schriften bleiben nicht ohne Wirkung. „Denkt an den Regen und den Schnee! Sie fallen vom Himmel und bleiben nicht ohne Wirkung: Sie tränken die Erde und machen sie fruchtbar; alles sprießt und wächst. So bekommt der Bauer wieder Samen für die nächste Aussaat, und er hat genügend Brot zu essen. Genauso ist mein Wort: Es bleibt nicht ohne Wirkung, sondern erreicht, was ich will, und führt das aus, was ich ihm aufgetragen habe“, sagt Gott in Jesaja 55,10-11.
- Die Bibel offenbart Dinge, die man sonst nie erfahren könnte, zum Beispiel über die Schöpfung und über die zukünftige Herrlichkeit der Kinder Gottes. Nur Gott kann uns über diese wichtigen Themen informieren.
Sind Bibelübersetzungen inspiriert?
Die ursprünglichen Bibelbücher wurden in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch geschrieben. Seitdem sind sie in viele weitere Sprachen kopiert und übersetzt worden, damit möglichst viele Menschen leichten Zugang zu Gottes Wort haben. Der Prozess des Kopierens und Übersetzens wurde jedoch nicht in gleicher Weise vom Heiligen Geist inspiriert wie der Prozess des Schreibens. Bibelübersetzer haben die Verantwortung, ihre Arbeit sorgfältig auszuführen. Sie sollten dafür sorgen, dass ihre Übersetzungen den Originaltext genau und klar wiedergeben. Aber Übersetzer sind nicht unfehlbar. Oft gibt es mehrere gute Möglichkeiten, einen einzigen Satz zu übersetzen. Manchmal kann die Bedeutung bestimmter hebräischer oder griechischer Wörter nicht vollständig durch ein einziges Wort in der Zielsprache abgedeckt werden, und die Übersetzer müssen eine Auswahl treffen. Im Laufe der Zeit werden die Übersetzungen oft überarbeitet und aktualisiert, da sich die Sprachen ständig ändern und unsere Kenntnisse des Hebräischen und Griechischen wachsen oder die Meinungen darüber, wie bestimmte Verse am besten zu übersetzen sind. Übersetzungen sind also fehlbar. Nur die Originale, auf denen sie beruhen, sind von Gott inspiriert. Wir haben jedoch viele gute Übersetzungen, die das Wort Gottes getreu wiedergeben.
Was ist der Unterschied zwischen Inspiration und Offenbarung?
Die Bedeutung dieser beiden Wörter ist ähnlich, aber nicht genau dieselbe. In der Bibel gibt es eine Menge göttlicher Offenbarung. Dabei handelt es sich um Informationen, die die Menschen sonst nicht erfahren würden. Gott offenbart seinen ewigen Heilsplan. Der Apostel Petrus schreibt darüber:
„Schon die Propheten haben gesucht und geforscht, was es mit dieser Rettung auf sich hat, und sie haben vorausgesagt, wie reich Gott euch beschenken würde. In ihnen wirkte bereits der Geist von Christus. Er zeigte ihnen, dass Christus leiden müsste und danach Ruhm und Herrlichkeit empfangen würde. Daraufhin forschten die Propheten, wann und wie dies eintreffen sollte. Gott ließ sie wissen, dass diese Offenbarungen nicht ihnen selbst galten, sondern euch. Nun sind sie euch verkündet worden, und zwar von denen, die euch die rettende Botschaft gebracht haben. Gott hat sie dazu durch den Heiligen Geist bevollmächtigt, den er vom Himmel zu ihnen sandte. Diese Botschaft ist so einzigartig, dass selbst die Engel gern mehr davon erfahren würden“ (1. Petrus 1,10-12).
Der Apostel Paulus schreibt in 1. Korinther 2,9-10,
„Was kein Auge jemals sah, was kein Ohr jemals hörte und was sich kein Mensch vorstellen konnte, das hält Gott für die bereit, die ihn lieben. Uns hat Gott durch seinen Geist sein Geheimnis enthüllt. Denn der Geist Gottes weiß alles, Er kennt auch Gottes tiefste Gedanken.“
Bei der Offenbarung geht es also darum, dass Gott den Menschen seine Wahrheit mitteilt. Bei der Inspiration geht es, wie wir in diesem Artikel schon gesehen haben, um den Prozess der Aufzeichnung von Gottes Wort. Dazu gehören Dinge, die Gott den Schreibern der Bibel offenbart hat, aber auch Aufzeichnungen von historischen Ereignissen, persönlichen Erfahrungen usw., die keiner besonderen Offenbarung bedurften. Es enthält sogar Beschreibungen von Lügen und Missverständnissen der Menschen. Lies zum Beispiel Psalm 14,1. Die göttliche Inspiration sorgt dafür, dass diese Ereignisse, Gedanken und Worte genau aufgezeichnet und erklärt werden, so dass sie ihren Zweck als Gottes göttliches Wort erfüllen.
Zusammenfassung
Die Bibel ist sowohl ein menschliches als auch ein göttliches Buch. Sie hat ihren Ursprung in Gott, wurde aber von Menschen niedergeschrieben und aufgezeichnet. Dieser Prozess des Schreibens wurde vom Heiligen Geist geleitet. Das nennen wir „göttliche Inspiration“.
[1] Genau genommen können wir diese Worte nur auf die Schriften anwenden, die bis dahin geschrieben worden waren, nicht auf die Bücher, die nach den Briefen des Paulus an Timotheus entstanden sind. Wir glauben jedoch, dass der Heilige Geist auch die Verfasser der letzten Bibelbücher inspiriert und die Auswahl der Bücher, die in die Bibel aufgenommen werden sollten, geleitet hat. Der Apostel Petrus zum Beispiel betrachtet alle Briefe des Paulus in 2. Petrus 3,15-16 als „Heiligen Schriften“. Siehe „Wer hat entschieden, welche Bücher in die Bibel aufgenommen werden?“ für weitere Informationen.